Dimension 2: Akzeptanz
Legitimität kann, wie wir gesehen haben, durch Zustimmung entstehen. Sie kann aber auch durch Resignation und Nichtteilnahme hergestellt werden – ist dann aber zumeist mit kurzem Verfallsdatum versehen. Beteiligungsverfahren, deren Ergebnisse Bestand haben sollen, zielen deshalb auf eine nachhaltige soziologische Legitimität – auf Akzeptanz.
Aus dem Ziel der Akzeptanz ergeben sich zwei weitere Ziele des Beteiligungsprozesses: Eine maximale Beteiligung, verbunden mit einer maximalen Zustimmung. Verfahren, die nur von wenigen Bürgerinnen und Bürgern begleitet werden, mögen Legitimität erzeugen, doch erst bei einer nennenswerten Beteiligung und einem möglichst viele der Beteiligten zufriedenstellenden Ergebnis kann Akzeptanz auch über das Verfahren hinaus Bestand haben.
Dabei kann die Akzeptanz im optimalen Fall durch ein weitgehend konsensual herbeigeführtes Ergebnis erzielt werden. Denkbar ist jedoch auch eine Entscheidung, die nur von einem Teil der Beteiligten aktive Zustimmung erfährt – wenn sie auf Basis eines offenen, transparenten, fairen Diskursprozesses entstanden ist und so auch den „unterlegenen“ Teilnehmern eine Akzeptanz des sie nicht hundertprozentig zufriedenstellenden Ergebnisses ermöglicht. Die Dimension der Akzeptanz zu berücksichtigen heißt also, besonderen Wert auf das partizipative Verfahren selbst zu legen und sowohl auf ein möglichst breit getragenen Ergebnis zu orientieren, als auch möglichen Minderheiten eine Partizipation zu ermöglichen, die diese zufriedenstellt.
In der Praxis wird die Dimension der Akzeptanz jedoch nicht selten so interpretiert, als ginge es im Beteiligungsverfahren darum, eine Akzeptanz für eine bereits offiziell getroffene oder informell verabredete Entscheidung der repräsentativen Institutionen zu erzielen. Das kann durchaus funktionieren, scheitert aber weit öfter daran, dass die beteiligten Bürgerinnen und Bürger sehr schnell ein erstaunlich sensibles Gespür dafür entwickeln, ob sie als Subjekte des Beteiligungsverfahrens oder als Objekte einer politischen Durchsetzungsstrategie behandelt werden. Meist zeichnen sich letztere Verfahren durch wenig offene Formate, kaum kritische Diskurse und sehr zurückhaltende Transparenz der Veranstalter aus. Häufig erwarten diese von den beauftragten Dienstleistern aufwändig dramaturgisch durchchoreographierte Formate. Es gibt für solche Formate sogar ausgewiesene Spezialisten.
So schrieb der SPIEGEL (Ausgabe 24/2015) über den nach diesen Prinzipien von einer professionellen Regie inszenierten „Bürgerdialog“ der Kanzlerin: „Die Bundesregierung ließ Titel und Inhalte ihres neuen Bürgerdialogs im Vorfeld von Demoskopen testen. Das zeigen interne Analysen des Meinungsforschungsinstituts GMS für die Bundesregierung, die dem SPIEGEL vorliegen. Demnach schlugen ausgewählte Testpersonen in sogenannten Fokusgruppen für den Dialog zunächst Titel wie ‚Wir dürfen endlich mitbestimmen’ oder ‚Wir Politiker hören Euch jetzt zu’ vor. Das Kanzleramt entschied sich jedoch für den Slogan ‚Gut Leben in Deutschland – was uns wichtig ist’. In den Fokusgruppen zeigten sich die Testpersonen teils wenig begeistert von dem neuen Instrument. ‚Der Einzelne bewegt ja doch nichts’, ‚Am Ende stehen doch nur die Politiker im Vordergrund’, lauteten einige der überwiegend negativen Statements. Die Grundidee eines Dialogs werde zwar durchaus positiv bewertet, schrieben die Demoskopen in einem Fazit: ‚Erkennbar ist allerdings die Skepsis, dass das Format gleichwohl nur Interesse vortäuscht und eher der ,Bürgerberuhigung‘ dient.’“
So oder so ähnlich werden in Deutschland immer wieder Beteiligungsformate realisiert, die sich allein auf Legitimität und Akzeptanz konzentrieren, mit stets unzufriedenstellenden Wirkungen: Ein für die Kanzlerin regelmäßig erstelltes „Eigenschaftsprofil Merkel“ zeigte, dass sie beim Thema Bürgernähe nur mittelmäßig abschnitt. Laut Forschungsgruppe Wahlen fanden im Oktober 2014 nur 50,2 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass Merkel bürgernah sei. Mit ihren „Bürgerdialogen“ dürfte sich diese Einschätzung kaum verbessern.