Heiko Kretschmer, Mitglied im Senat der Deutschen Umweltstiftung und geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsagentur „Johanssen + Kretschmer“ (Berlin), im Interview über Kommunikation, Nachhaltigkeit , die Sinnhaftigkeit von Labels und Kommunikationsaspekte der Krise in Europa.
DUS: Warum haben Sie sich für ein Engagement bei der Deutschen Umweltstiftung entschieden?
Kretschmer: Die Erfahrung der DUS im Dialog zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und institutioneller Politik ist eine solide Basis, um von hier ausgehend in einen Trialog einzutreten, bei dem die privatwirtschaftliche Initiativen und Unternehmen hinzutreten. Ich sehe in diesem Trialog eine wichtige Basis für künftige Entwicklungen im Feld der Nachhaltigkeit.
DUS: Können Sie kurz die Vision und das Besondere von J+K darlegen, d.h. wo Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankert ist?
Kretschmer: Beratung muss Nachhaltigkeit auf zwei Ebenen reflektieren. Erstens als inhaltliche Fragestellung, die in der Beratung eine Rolle spielt und Nachhaltigkeit oder CSR nicht einfach als Marketing reflektiert. Zweitens aber auch im Unternehmen selbst. Als Kommunikationsberatung treiben uns v.a. zwei Nachhaltigkeitsthemen:
- Wie sieht nachhaltige Kommunikation aus? Sie verzichtet bspw. auf Absenderintransparenz, greift die Diskussionen um Kommunikationskodex und -ethik auf, um so eine Kommunikation zu vermeiden, die selbst zum Gegenstand negativer Stakeholder Reaktionen werden kann.
- Wie sieht eine leistungsfähige Unternehmensorganisation aus, die dennoch die berechtigten Bedürfnisse und Anforderungen der Mitarbeiter an Work Life Balance und Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgreift. Angesichts eines immer volatiler werdenden Beratungsgeschäfts und einer zunehmenden tageszeitlichen Entgrenzung von Unternehmenskommunikation wird die Antwort auf diese Frage immer schwieriger und drängender.
DUS: Was braucht es künftig in der Kommunikationsbranche, damit Sie nachhaltiger wird?
Kretschmer: Eine strikte Ächtung bestimmter Berater-Geschäftsmodelle. Es gibt offenkundig immer noch etliche Berater, die mit verdeckter Kommunikation, Gerüchteverbreitung und Negativkommunikation gutes Geld verdienen können. Das ist der Kern nicht-nachhaltiger Kommunikation.
DUS: Was halten Sie von Labels für Nachhaltigkeit, speziell für Ihre Branche?
Kretschmer: Das muss man differenziert sehen. Hinsichtlich der ethischen Standards gibt es klare Vorgaben des Deutschen Rats für Public Relations, die sich im Deutschen Kommunikationskodex widerspiegeln. Diese Vorgaben sind umzusetzen, den Mitarbeitern verbindlich vorzugeben und entsprechende Schulungen anzubieten, andernfalls gibt es mit dem DRPR ein dem Presserat vergleichbares Organ der freiwilligen Selbstkontrolle, das Verstöße zu ahnden hat. Hinsichtlich des Themas Arbeitszeitmodelle und Mitarbeiterentwicklung lehnen wir eine Zertifizierung insoweit ab, da es sich um einen relevanten Wettbewerbsfaktoren zwischen den Beratungsunternehmen handelt.
DUS: Aktuell steht Europa und der Euro in der Krise? Wie beurteilen Sie dies aus der Sicht der Kommunikation?
Kretschmer: Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass die Eurokrise keine Kommunikationskrise ist. Aber fehlerhafte Kommunikation zwischen den Regierungen und die fehlende Bereitschaft gerade in Deutschland, die Menschen mitzunehmen, statt auf BILD Niveau zu argumentieren, dürfte langanhaltende Schäden in Europa anrichten.
DUS: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Kretschmer: Deutlich mehr Unternehmen, die verstehen, dass Nachhaltigkeit in der Supply Chain Partnerschaft bedeutet und gerade auch gegenüber Dienstleistern praktiziert werden muss. Ein kleines Beispiel: Für Beratungsunternehmen ist die Liquiditätsthematik erfahrungsgemäß das größte unternehmerische Risiko. Wenn Großunternehmen ihre Zahlungsziele von 30 auf 90 oder gar 120 Tage anheben, kann dies an sich gesunde Unternehmen gefährden. Partnerschaft bedeutet, die Risiken solch eines Vorgehens ernst zu nehmen und zumindest flexibel auf Beratungsunternehmen einzugehen.