Der langjährige Vorsitzende der Deutschen Umweltstiftung gab der Zeitschrift „umwelt aktuell“ ein interessantes Interview, das wir hier mit seiner freundlichen Genehmigung abdrucken.
Frage: Herr Schumacher, im November sind Sie für Ihr Lebenswerk mit der Deutschen Naturschutzmedaille geehrt worden. Sie haben zahlreiche Umweltinitiativen mit angeschoben, ebenso die Antiatombewegung oder den „Blauen Engel“: Was ist Ihnen davon im Rückblick besonders wichtig?
Antwort: Bereits im Jahr 1980 habe ich mich gegen die Nutzung der Atomenergie ausgesprochen, und bin konsequenterweise aus einer Partei, deren Vorsitzender sich damals für die Kernenergie ausgesprochen hatte, ausgetreten. Ich war mit meiner Entscheidung in guter Gesellschaft, zum Beispiel dem damaligen Erzbischof von München-Freising. 1991 und 1996 führte die Deutsche Umweltstiftung zwei Schulwettbewerbe – „Modelle zur Erprobung, Demonstration und Anwendung alternativer Energietechniken an Schulen – Projekte zur Einsparung von Energie“ durch. Ganz wichtig war mir auch, ab Ende der 80er Jahre Umwelt- und Schülerbibliotheken in Ost und West mit Natur- und Umweltliteratur auszustatten, auch noch zu Zeiten der DDR. Besondere Erfahrungen machte ich in den zwölf Jahren als Mitglied in der Jury „Umweltzeichen“ (Blauer Engel). Hier begegnete ich unter anderem auf Jurymitgliedern, die damals Lobbyarbeit über die Belange von natur und Umwelt stellten, Erkenntnisse, die mir in der Folgezeit sehr zu Gute kamen.
Frage: Und welcher Erfolg war am schwersten durchzusetzen?
Antwort: Das ist schwer zu sagen – ganz sicher aber unsere erfolgreichen Versuche, Umweltbücher in die ehemalige DDR an Umweltbibliotheken auszuliefern.
Frage: Meist macht man sich mit Konsequenz nicht nur Freunde. Was war der größte Aufreger bei Ihrem langjährigen Engagement für die Umwelt?
Antwort: Die unsäglichen öffentlichen Beschimpfungen, Verleumdungen und Diffamierungen meiner Person wie auch anderen Mitstreitern, die für mich unter anderem ein Disziplinarverfahren durch meinen Dienstherrn sowie gerichtliche Auseinandersetzungen zur Folge hatte. Den Namen des Oberstleutnants, der die Anzeige gegen mich wegen angeblicher Teilnahme an einer Demonstration in Kalkar erhoben hatte, habe ich nie erfahren. Ich war allerdings nicht bei der Demonstration dabei.
Frage: Die von Ihnen mit gegründete Deutsche Umweltstiftung ist von staatlichen Geldern unabhängig. Ist Ihnen das als ehemaligem Regierungsamtsrat besonders wichtig?
Antwort: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Mein Arbeitgeber hat zu keinem Zeitpunkt versucht, auf meine ehrenamtliche Arbeit Einfluss zu nehmen. Für die Deutsche Umweltstiftung und für mich war es von allem Anfang an sehr wichtig, auf öffentliche Gelder zu verzichten, um uneingeschränkt politisch, wirtschaftlich und unabhängig sowie ungebunden arbeiten zu können.
Frage: Sie haben 11 Geschwister – kommt daher Ihr Faible für gemeinschaftliche Aktionen in Bürgerinitiativen?
Antwort: „Faible“ ist kein Kriterium für Arbeit in Bürgerinitiativen. Was mir meine Familie und die Schulaufenthalte in Internaten mit gegeben haben, sind Selbständigkeit, Durchsetzungsvermögen, persönliche und unabhängige Mobilität, im Leben sich zu recht zu finden.
Frage: Aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrungen im Umweltbereich: Was würden Sie einem jungen Menschen raten zu tun? Demonstrieren gehen? Geld spenden? Kartoffeln selbst anbauen?
Antwort: Keines der drei Vorschläge! Junge Menschen müssen mit offenen Augen durchs Leben gehen und sich unabhängig zu den Themen, die sie interessieren, informieren, kritisch hinterfragen, Erfahrungen sammeln und nicht das von vorne herein übernehmen, was ihnen von gesellschaftlichen Gruppen und Medien – welcher Art auch immer – als „Wahrheit“ suggeriert wird. Sprich: Junge Menschen müssen sich eine unabhängige eigene Meinung bilden. Wenn sie das schaffen, brauche ich der Jugend nicht zu raten, was sie tun sollen, sondern sie als erwachsene Menschen akzeptieren und behandeln. Wenn sie sich dann noch dazu entschließen, im Dienste von Natur und ehrenamtlich zu arbeiten – was wollen wir mehr?
Frage: Der Spiegel hat Sie 1995 als „blinden Seher“ bezeichnet. In diesem Jahr jährt sich der legendäre Rio-Erdgipfel zum 20. Mal. Was halten Sie jetzt für die wichtigsten Aufgaben der Umweltpolitik?
Antwort: Diese Frage ist die schwierigste. Stichworte wie Energiepolitik, Klimawandel, ökologischer Landbau, Verkehr, Europa usw. sind zu plakativ als Antwort. Sie zu erläutern, würde zu weit führen. Viel wichtiger ist mir, dass die Natur- und Umweltverbände noch enger zusammenrücken, ihre Stärke öffentlich demonstrieren und noch mehr Druck auf die Politik ausüben, insbesondere auf die jeweils zuständigen Minister, wie Röttgen und Rösler. Wenn diesen es nicht gelingt (weil sie es in Wirklichkeit nicht wollen), die Blockade der Energiekonzerne und der Wirtschaft zu brechen, (neue Energietrassen, Wechsel zu regenerativen Energien usw.), dann wird neben dem „Restrisiko Atomenergie“ ein Weiteres hinzu kommen „Restrisiko Mensch“.
Stichworte zu Hans Günter Schumacher
Geboren 1934, Abitur 1960, Beamtenlaufbahn, Ruhestand ab 1.08.1992, Ehrenamtliche Tätigkeit Ende 1977-30.11.2011, Bundesverdienstkreuz 1996, Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz 30.11.2011.