Vom Dialog zur Partnerschaft Jörg Sommer über elitäre Politikkonzepte und deren Grenzen

Die Signale für die Erosion der Strukturen unserer repräsentativen Demokratie sind unübersehbar: Weitgehende Verweigerung vieler Bürgerinnen und Bürger der Teilnahme an Wahlen auf allen politischen Ebenen und politisches Desinteresse auf der einen Seite – rasante Erfolge für populistische und (schein-)radikale Parteien sowie in Einzelfällen geradezu explosionsartig anwachsende Bürgerproteste, die zu scharfen Konflikten führen und unsere aktuellen politischen Strukturen und Akteure überfordern.

Elitäre Politikkonzepte, die davon ausgehen, dass demokratisch gewählte politische Eliten in der Lage sind, sämtliche für die Gesellschaft wichtige Entscheidungen zu treffen, die anschließend auch eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung finden, funktionieren nicht mehr. Es erscheint vor diesem Hintergrund nicht als übertrieben, von einer Krise der repräsentativen Demokratie zu sprechen.

Das Prinzip des „Erst entscheiden, dann kommunizieren“ hat sich überlebt. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich nicht mehr mit der bisherigen Arbeitsteilung der repräsentativen Demokratie zufrieden geben. Diese Bürgerinnen und Bürger als „Wutbürger“ zu bezeichnen, ist populär, wird aber der Tiefe des Konfliktes nicht gerecht.

Es stimmt: Häufig ist Auslöser für das Engagement unmittelbare persönliche Betroffenheit, nicht selten geht es um die Verhinderung von Projekten, die die eigene Lebensqualität einschränken, stets ist aber die Frustration über einsame Entscheidungen von „denen da oben“ ganz wesentlich für die häufig stürmische Eskalation der Proteste verantwortlich.

Das Fehlen anerkannter Instrumente

Man mag diese Entwicklung je nach politsicher Einstellung bedauern oder begrüßen – sie ist aber ebenso legitim wie real.

Ebenso real ist die meist hilflose Reaktion der verantwortlichen Eliten. Denn in solchen Konflikten wird bislang meist entweder auf die repräsentative Legitimation beharrt oder mit den Betroffenen nachverhandelt.

Die erste Lösung trägt in der Regel nur zur weiteren Eskalation der Konflikte bei, die zweite ist nicht nur kostenintensiv und langwierig, sondern auch legitimationstheoretisch problematisch. Schließlich werden hier im Nachhinein besonders aggressiv artikulierte Partikularinteressen in den Prozess einbezogen, während andere Stimmen keinen Einfluss mehr ausüben können.

Bislang fehlen gesellschaftlich anerkannte, praktisch erprobte und normativ verankerte Instrumente der Öffentlichkeitsbeteiligung auf allen politischen Ebenen, die über nachträgliche Schlichtungs- und Befriedungskonzepte hinausgehen.

Die Endlagerfrage als Risiko – und Chance

Die aktuelle Situation bei der Suche nach einem gesellschaftlich akzeptierten Umgang mit dem Atommüll bietet mit Einsetzung der so genannten „Endlagerkommission“ die Möglichkeit, solche Konzepte zu entwickeln, zu erproben und im besten Fall hierzu einen gesellschaftlich Konsens herzustellen, der auch für andere Konfliktfelder auf allen politischen Ebenen akzeptierte Formen aktiver Bürgerbeteiligung zur Verfügung stellen kann.

Gerade bei einem so kontroversen Thema wie der Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe sollte eine Legitimationsfalle vermieden werden. Hier ist es notwendig, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger und nicht nur die übliche „Beteiligungselite“ einzubeziehen.. Alle Legitimierungsversuche, die sich allein auf professionelle Stakeholder und unmittelbar Standortbetroffene konzentrieren, werden scheitern.

Das ist ein Risiko, aber auch eine Chance für einen Beteiligungsprozess – weil dieser nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn er frühzeitig einsetzt, lange bevor er nur noch als Mittel zur nachträglichen Legitimierung und Akzeptanz einer Entscheidung politischer Eliten gesehen wird.


Dies ist die Einleitung zu einem umfangreichen Diskussionspapier von Jörg Sommer, in dem auch zahlreiche konrete Vorschläge für eine umfangreiche Bürgerbeteiligung im Rahmen der Endlagersuche gemacht werden. Hier das vollständige Diskussionspapier als PDF.