An dem Thementisch Biodiversität haben die Teilnehmer*innen – angeleitet vom DBU-Stipendiaten Patrick Kohl – die bisherigen Fortschritte, sowie die weiteren Bedingungen für den Schutz einer ausgeprägten biologische Vielfalt und der damit zusammenhängenden lebenswichtigen Ökosystemleistungen diskutiert. Mit dem Blick in die Vergangenheit wurden gesellschaftliche und politische Hemmschwellen identifiziert und zukünftige Gegenmaßnahmen entworfen.
Als großer Erfolg der letzten 30 Jahre wurden die Entwicklungen in der Biodiversitätsforschung gewürdigt. Obwohl gerade zur Erfassung des Status quo globaler Biodiversität in Zukunft noch weit mehr Forschungsmittel benötigt werden, liegen heute robuste Daten vor, welche den andauernden Verlust der Arten, der genetischen Vielfalt, und der Ökosysteme dokumentieren. Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Biodiversität und Ökosystemleistungen liefert klare Argumente für den Schutz intakter Ökosysteme, und angewandte Biodiversitätsforschung (Beispiel: Blühflächenmanagement in Agrarlandschaften) entwickelt Handlungsmaßnahmen für den praktischen Naturschutz. Schließlich liegen durch Initiativen wie TEEB („The Economics of Ecosystems & Biodiversity“) auch konkrete Schätzungen des monetären Werts bestimmter Ökosystemleistungen vor, sodass die Kosten des Biodiversitätsverlusts in Ansätzen beziffert werden können.
Doch obwohl die Erkenntnisse aus der Forschung zu einer formalen Anerkennung der Biodiversitätskrise in der Politik führten (Beispiel: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt) und trotz des wachsenden Bewusstseins in der Bevölkerung, mangelt es bisher an der Umsetzung von Gegenmaßnahmen.
Als wichtige Ursache für die mäßigen Erfolge im praktischen Biodiversitätsschutz wurden die mediale Konkurrenz anderer gesellschaftlicher Krisen(themen), sowie die oft gegenläufigen Ziele kurzfristiger Wirtschaftsinteressen identifiziert. So ist es bisher nicht gelungen, die Bedrohung unserer Ökosysteme als Thema im Mittelpunkt der Gesellschaft zu platzieren (Stichwort „Mainstreaming“). Auch findet noch kein „True cost accounting“ bei wirtschaftlichen Entscheidungen statt und die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Verlustes von Biodiversität bleiben bei politischen und juristischen Entscheidungen noch zu oft unberücksichtigt.
Entgegen des vorherrschenden sechsten Massensterbens wurden drei wichtige zukünftige Gegenmaßnahmen gefordert. Erstens sollen kurzfristig, da ohne weiteres in das bestehende Wirtschaftssystem integrierbar, bei sämtlichen geplanten Projekten die Kosten für den etwaigen Ausfall bestehender Ökosystemdienstleistungen berücksichtigt werden. Kreditinstitute sollen Finanzierung von Projekten nur zustimmen, wenn dadurch keine Schäden an der Biodiversität entstehen, bzw. ein angemessener Ausgleich eingeplant ist. So könnte der fortschreitende Flächenverbrauch durch Infrastrukturmaßnahmen, Versiegelung für Baugrund und Intensivierung der Landwirtschaft aufgehalten werden. Nötig dafür sind praktische Systeme zur Bepreisung von Ökosystemen und deren Leistungen. Es wurde jedoch auch Kritik an dem Versuch der Ökonomisierung der Natur geübt. So können wir den vollen „Preis“ von Ökosystemen niemals genau ermitteln, da wir bestimmte Folgen des Ökosystemversagens nicht vorhersagen können und „tipping points“ nicht kennen. Außerdem hat biologische Vielfalt auch einen intrinsischen Wert (≠ Preis), der nicht zu beziffern ist. Langfristig reicht die Bepreisung von Ökosystemleistungen daher vermutlich nicht aus, und es braucht einen Systemwechsel auf Grundlage der Erkenntnis der Planetaren Grenzen. Zweitens forderten die Diskutant*innen von der Politik einerseits (rückblickend auf die mangelhaft umgesetzten Ziele der 1993 verabschiedeten Biodiversitätskonvention) eine schnellere Umsetzung bereits beschlossener Schutzmaßnahmen. Dafür ist eine weitere Erhöhung des Etats für den Naturschutz nötig, denn obwohl die kürzlich beschlossenen vier Milliarden Euro für „Maßnahmen des Natürlichen Klima- und Artenschutzes“ einen Fortschritt darstellen, ist Biodiversitätsschutz verglichen mit viel höheren Ausgaben für beispielsweise umweltschädliche Subventionen immer noch unterfinanziert.
Andererseits wird eine politische Weiterentwicklung des Ordnungsrechtes zum Schutz von Biodiversität und eine bessere Verankerung des Biodiversitätschutzes im Grundgesetz angestrebt. Drittens sollte durch Förderung der Umweltbildung zukünftig ein höherer Anteil an Naturschützer*innen generiert werden. Das Wissen über den Nutzen des Erhaltens der Biodiversität müsse gesellschaftlich verbreitet und der Wert der Natur langfristig ideell verankert werden.
Anmerkung der Ausrichter: Wir bedanken uns bei Patrick Kohl für die fachliche Moderation und Ergebnisaufbereitung.