Während der Diskussion des Thementisches, geleitet durch DBU-Stipendiatin Felicitas Beier, wurden Maßnahmen diskutiert, die zur Reduktion der Treibhausgasemissionen der einzelnen Sektoren in Deutschland führen können. Es gelte, das das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen und gleichzeitig soziale und gesellschaftliche Auswirkungen und Rahmenbedingungen mitzuberücksichtigen.
Retrospektive
Wie aus dem letzten IPCC Bericht hervorgeht, sind die Treibhausgasemissionen im letzten Jahrzehnt in allen Sektoren weiter angestiegen (IPCC AR6 WG III). Es waren zwar Effizienzgewinne, insbesondere im Industriesektor, zu beobachten, aber gleichzeitig ist die wirtschaftliche Aktivität in der Industrie, Stromversorgung, Transport und Landwirtschaft weiter angestiegen und damit auch die Treibhausgasemissionen. Der Beitrag der einzelnen Sektoren zu den globalen Treibhausgasemissionen setzt sich wie folgt zusammen:
- 20 GtCO2eq, also 34 % der globalen Treibhausgasemissionen, sind im Jahr 2019 auf den Stromsektor, also die Energieerzeugung, zurückzuführen.
- 14 GtCO2eq, also 24 % auf die Industrie
- 13 GtCO2eq, also 22 % auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft, bzw. AFOLU (Agriculture, Forestry and Other Land Use)
- 8.7 GtCO2eq, also 15 % entfallen auf den Verkehrssektor
- Und 6 % (3.3 GtCO2eq) auf Gebäude
Wenn wir das 1.5° Ziel erreichen möchten, haben wir noch ein Budget von etwa 290 GtCO2eq. In Deutschland haben wir Emissionen von etwa 717 MtCO2eq pro Jahr. Die Treibhausgasemissionen, die mit den derzeitigen Verpflichtungen zur Emissionsreduktion der Länder (NDCs) einhergehen, führen sehr wahrscheinlich zu einer Überschreitung des 1.5° C Ziels im Laufe des 21. Jahrhunderts (IPCC AR6 WG III).
Laut dem IPCC sind 20 % der globalen Treibhausgasemissionen durch CO₂-Preise abgedeckt und in 56 Ländern gibt es eine Klimagesetzgebung, die 53 % der globalen Emissionen abdeckt. Die Daten im IPCC-Bericht zeigen, dass die bisherige Klimapolitik und die Höhe der Preise nicht ausreicht, um eine ausreichende Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Selbst mit der Einhaltung der Länder-Verpflichtungen (NDCs) wäre nach 2030 eine extreme Beschleunigung der Mitigations-Bemühungen notwendig.
Aus der Diskussion der Fragen „Was hat sich getan? Was nicht? Und warum?“ hat sich ergeben, dass in Deutschland in vielen Bereichen bürokratische Hürden existieren, die eine effektive Klimapolitik behindern.
Teilweise bestehen falsche Anreize wie die Subventionierung fossiler Energieträger (Kerosin-Steuerregelung, Dienstwagen-Privileg, Pendler-Pauschale, …), die eine Umstellung auf erneuerbare Energien weniger attraktiv machen. Gleichzeitig sei die Inanspruchnahme zur Förderung von Erneuerbaren Energien kompliziert.
Im Bereich der Landwirtschaft liege der Fokus im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU auf Direktzahlungen, die nicht an Umweltauflagen gekoppelt sind (Säule I). Die zweite Säule (Umwelt- und Sozialzahlungen), die Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz und Tierwohl fördern soll, sei mit deutlich weniger finanziellen Ressourcen ausgestattet.
Treibhausgasemissionen im Industrie- und Stromversorgungssektor sind über den EU-Emissionshandel abgedeckt und mittlerweile sind auch die Sektoren Verkehr und Gebäude mit einem CO₂-Preis belegt. Dieser sei jedoch deutlich zu niedrig angesetzt, um einen ausreichenden Anreiz zur Emissionsreduktion zu erreichen und die Landwirtschaft sei hinsichtlich des CO₂-Preises nicht mit berücksichtigt.
Zukunft
Vor dem Hintergrund hoher bürokratischer Hürden und falscher Anreize der Vergangenheit, kamen die Teilnehmer*innen zu dem Schluss, dass Klimaschutz stets der „einfachste und billigste Weg“ sein müsste, um die Dekarbonisierung nachhaltig voranzutreiben. Dies könnte durch eine Lenkungssteuer (Pigou-Steuer) in angemessener Höhe erreicht werden, sodass klimaschädliches Verhalten teurer und weniger lohnend ist. Gleichzeitig sollte die Förderung erneuerbarer Energien einfach zugänglich sein (Deregulierung) und die Bürger*innen entsprechend beteiligt werden (Dezentralisierung). Hierbei wären beispielsweise Energie-Genossenschafts-Modelle denkbar.
Auch im Bereich der Landwirtschaft sollte klimaschädliches Verhalten entlang der gesamten Produktionskette eingepreist werden, sodass eine Ernährungstransformation hin zu einer gesünderen und klimafreundlicheren Ernährung die beste Wahl darstellt. Gemäß dem Verursacherprinzip sei es hier aus Sicht der Diskutant*innen sinnvoll, „an der Quelle anzusetzen“. Anstelle Stickstoffbelastungen unter hohem Energieaufwand wieder aus den Gewässern herauszufiltern, sollte der Stickstoff-Eintrag in die Umwelt reduziert werden. Dies könne beispielsweise durch eine „Stickstoffüberschussabgabe“ aufseiten der Landwirte erreicht werden. Eine solche Abgabe mache Tierhaltung teurer und unattraktiver und hätte eine direkte positive Wirkung auf die Umwelt (Wasser, Luft, Ozon, Ökosysteme, menschliche Gesundheit) vor Ort und Synergien mit der Klimapolitik (Rückgang der Tierhaltung, Reduktion von Treibhausgas N2O). Auf Produktionsseite schaffe dies einen Anreiz zu effizienterem Dünger- und Gülleeinsatz und auf der Konsumentenseite zu höheren Preisen für tierische Produkte, was eine Ernährungstransformation begünstige. Die Zahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sollten an Umweltauflagen geknüpft sein, um die Transformation zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Landwirtschaft voranzutreiben. In diesem Kontext sollten insbesondere Konzepte wie „Agro-Forstwirtschaft“ oder „Paludikultur“ in den Fokus rücken, die eine Verbindung von Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz bieten können. Die Wiedervernässung von Mooren sei letztendlich ein weiterer wichtiger Baustein im Klimaschutz im Bereich der Landwirtschaft, dem eine hohe Priorität zukommen müsse, da das Emissions-Vermeidungs-Potenzial hier besonders hoch ist.
Neben Anreizen sollte auch Regulierung eine wichtige Rolle spielen. Dabei betrachteten es die Teilnehmer als sinnvoll, bundesweit einheitliche Vorschriften zu etablieren, die unbürokratisch umgesetzt werden können. Dies wurde unter anderem für den Gebäude-Bereich diskutiert (Solarpflicht; Begrünung; Fassadennutzung). Neben nachhaltigeren Rohstoffen für den Bau (z.B. Holz anstelle von Beton), wurde vor allen Dingen betont, dass die Bestandserhaltung eine wichtige Rolle spielt, da durch Renovierung deutlich weniger Emissionen entstehen als im Neubau.
Ähnliches gilt für Geräte/Technik. Die Teilnehmer*innen befanden, dass eine funktionierende Kreislaufwirtschaft eine positive Klimawirkung hätte. Denkbare Konzepte wären eine Verlängerung der Garantiezeiten, ein Recht auf Reparatur oder die Produktvermietung (statt Kauf).
Eine zentrale Rolle für die soziale Akzeptanz solcher Maßnahmen stehe nach Ansicht der Teilnehmer*innen die „Lebensqualität“ (Gesundheit, Natur, Schönheit). So sollten zukünftige Bauprojekte, die auch nachhaltige Rohstoffe wie Holz statt Beton setzen, nicht nur zweckmäßig, sondern auch lebenswert sein. Maßnahmen im Bereich der Ernährungstransformation weg von tierischen Produkten sollten den Mehrwert einer gesunden und reichhaltigen pflanzenbasierten Ernährung hervorheben. Und auch die Verkehrswende solle so gestaltet werden, dass Städte lebenswerter werden (bessere Erreichbarkeit, weniger Individualverkehr → weniger Emissionen, weniger Feinstaub). Dabei können auch „Vorbilder“ (i.S.v. gelungen Projekten z. B. im Ausland) herangezogen werden (z.B. 15-Minuten Stadt).
Anmerkung der Ausrichter: Wir bedanken uns bei Felicitas Beier für die fachliche Moderation und Ergebnisaufbereitung.