
„Ich bin der Meinung, dass wir in unserer Gesellschaft viel zu wenig Raum für echte Experimente, für den Erwerb von Erfahrungswissen – zu dem auch das Scheitern gehört – haben, gerade ab einem bestimmten Alter. Die Deutsche Umweltstiftung leistet da in meinen Augen einen wichtigen Beitrag mit ihren Projekten.“
Anke Strauß
Mit diesen Worten beschreibt Anke Strauß ihre Motivation, sich als neues Vorstandsmitglied bei der Deutschen Umweltstiftung zu engagieren. Anke ist Studiengangsleitern für „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ und hat demnach eine wissenschaftliche Perspektive auf Themen rund um die ökologische Nachhaltigkeit. Im Interview spricht sie über ihre Beweggründe, ihre Erfahrungen und ihre Ideen für die Stiftung. Viel Freude beim Lesen!
Welche sozialen oder ökologischen Themen liegen dir besonders am Herzen?
Im Allgemeinen kann ich sagen, dass ich Projekte liebe, die Menschen die Möglichkeit eröffnen, die Welt und ihre Möglichkeiten anders wahrzunehmen und anders zu erfahren als das, was sie gemeinhin aus ihrem Leben kennen. Dabei geht es für mich zum einen ums Lernen, ums radikale Experimentieren und auch Imaginieren: Um unseren Kindern eine Welt zu hinterlassen, die auch für sie noch lebenswert ist, müssen wir dringend lernen, anders mit uns, mit anderen und der Welt umzugehen und eine Vorstellung zu entwickeln, was eigentlich ein gutes Leben ist. Zum anderen umfasst dieses Lernen auch die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, der Möglichkeit der Mitgestaltung, um Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und anderen Raum für Entfaltung einzuräumen.
Dabei ist es für mich ganz wichtig, Nachhaltigkeitsthemen nicht in sozial oder ökologisch zu unterscheiden. Das wird leider immer noch häufig getan und häufig auch, um diese beiden Felder gegeneinander auszuspielen. Daher interessieren mich Themen und Projekte, die sich an der Schnittstelle bewegen und die der Abstraktheit, mit der einige Themen oft behandelt werden, etwas ganz Konkretes hinzufügen, damit man erfahren kann, was das eigentlich bedeuten kann für das eigene Leben.
Die Idee von Planetary Health ist beispielsweise so ein Konzept. Menschen verstehen sofort, was eine gesunde Erde mit der eigenen Gesundheit zu tun hat. Sie verstehen sofort, dass hohe Abgaskonzentrationen nicht nur schlecht für die Umwelt sind, sondern auch für sie selbst. Gleichzeitig gibt es Studien, die zeigen, dass diejenigen, die an stark befahrenen Straßen wohnen – also höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind – auch diejenigen sind, die oft sozio-ökonomisch benachteiligt sind. Momentan werden technische Lösungen bevorzugt – individuelle Elektromobilität. Aber damit hat man das Problem – gesundheitliche Risiken für sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen – nur ins Ausland verschoben, nämlich zu denjenigen, die bspw. unter den Schäden eines exzessiven Bergbaus zu leiden haben und das wird dann schlussendlich doch wieder Auswirkungen auf uns haben.
Projekte, die auf die Veränderung unseres Mobilitätsverhaltens abzielen, können beide Dimensionen adressieren. Ich denke da beispielsweise das von der DUS initiierte Projekt GREEN, das Fahrgemeinschaften im ländlichen Raum fördert und für das eigene Mobilitätsverhalten sensibilisiert. Hier geht es nicht nur darum, Abgase zu verringern. Es ist auch ein Projekt, welches beispielsweise Vereinsamung und eingeschränkte Mobilität im Alter elegant mit abdeckt.
Was hat dich dazu bewogen, dich für die Deutsche Umweltstiftung zu engagieren?
Ich würde mich – obwohl ich vornehmlich im wissenschaftlichen Bereich gearbeitet habe – als praxisaffin bezeichnen. Und ich bin der Meinung, dass wir in unserer Gesellschaft viel zu wenig Raum für echte Experimente, für den Erwerb von Erfahrungswissen – zu dem auch das Scheitern gehört – haben, gerade ab einem bestimmten Alter. Die Deutsche Umweltstiftung leistet da in meinen Augen einen wichtigen Beitrag mit ihren Projekten. Außerdem habe ich das Vergnügen, regelmäßig mit Michael Golze zusammen an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) im Strategischen Nachhaltigkeitsmanagement zu lehren. Jedes Mal, wenn das Semester vorbei ist, dachte ich, dass ich gerne mehr Projekte mit ihm angehen würde. Daher habe ich mich sehr gefreut, als mich Jörg Sommer gefragt hat, ob ich mich bei der Deutschen Umweltstiftung engagieren möchte.
Gibt es ein Projekt, auf das du dich besonders freust?
Ich kann da jetzt noch nicht so viel verraten, aber ich bin sehr gespannt, wie sich die Struktur der Stiftung verändert und ob unsere Idee mit dem Zukunftsrat Gestalt annehmen wird.
Welche Erfahrungen bringst du mit, die für die Arbeit der Stiftung besonders wertvoll sind?
An der HNE beschäftige ich mich viel mit Zukünften, sodass ich gut in Szenarien denken kann. Außerdem glaube ich, dass ich ganz gut gemeinsam mit anderen denken und Konzepte erstellen kann, die auch eine strategische Dimension haben, sodass ich die DUS in der momentanen Phase der Neuausrichtung hoffentlich gut unterstützen kann.
Welches Buch inspiriert dich aktuell?
„Sowing Seeds in the Desert“ von Masanobu Fukuoka, ein philosophisches Buch über natürliche Anbaumethoden und dem Versuch, die Wüste(n) dieser Welt wieder zu begrünen.
Wir danken Anke für das spannende Interview.