„Ein nachhaltiger und schonender Umgang mit Ressourcen ist wichtiger denn je“, betonte Michael Golze von der Deutschen Umweltstiftung bei der Vorstellung der Studie „Klimagerecht verpackt“, die kürzlich erschienen ist. Der bewusste Umgang mit Verpackungen spiele dabei eine zentrale Rolle. Doch angesichts eines jährlichen Verpackungsaufkommens von rund 237 Kilogramm pro Person in Deutschland bleibt zu klären: Wie lassen sich Verpackungsmengen reduzieren und Kreisläufe stärken?
Diese Frage rahmte den intensiven Austausch zwischen den drei geladenen Expert*innen Dr. Bettina Rechenberg (Dir.Prof. des Fachbereich III Nachhaltige Produktion und Produkte, Kreislaufwirtschaft im Umweltbundesamt), Dr. Oliver Wolfrum (Generalbevollmächtigter des Forum Ökologisch Verpacken) und Benedikt Kauertz (Fachbereichsleiter Industrie und Produkte beim Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg) sowie den zahlreich virtuell erschienen Gästen.
Im Austausch wurde deutlich: Es herrscht große Einigkeit darüber, Verpackungen stärker durch die Brille der Nachhaltigkeit zu betrachten. Fortschritte, wie bspw. die hohen Recyclingquoten bei faserbasierten Verpackungen, zeigen positive Ansätze. Zugleich verdeutlicht das anhaltend hohe Abfallaufkommen und die unzureichende Kreislaufschließung bei Kunststoffverpackungen, dass noch größere Anstrengungen notwendig sind. Die Komplexität der Herausforderung erfordert dabei eine enge Zusammenarbeit aller Akteure entlang des gesamten Produktlebenszyklus.
Drei Analysebereiche für nachhaltige Verpackungen
In der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass es zudem sinnvoll erscheint, mindestens drei miteinander verbundene Analysebereiche zu unterscheiden und einzeln sowie in ihrem Zusammenspiel zu beleuchten, um eine thematisch differenzierte Auseinandersetzung sicherzustellen.
1. Mikroebene: Konsumroutinen der Verbraucher*innen
Auf der Mikroebene geht es um konkrete Fragen bei der alltäglichen Verwendung von Verpackungen insb. aus Sicht von Verbraucher*innen. Diese können und sollen mit ihren Kaufentscheidungen Einfluss nehmen, beispielsweise indem sie ökologisch vorteilhafte Varianten bevorzugen. Diese Varianten zielsicher zu identifizieren, ist jedoch nicht immer leicht. Dies liegt daran, dass eine ganze Reihe von Faktoren die ökologische Vorteilhaftigkeit einer Verpackung beeinflussen und im Detail der breiten Masse nicht bekannt sind bzw. ihre Erhebung aktuell häufig mit erheblichem Rechercheaufwand einhergeht. Bereits vorhandene Ratgeber und Informationsseiten u. a. des Umweltbundesamtes leisten daher einen wichtigen Beitrag bei der Verbraucherinformation. Sie helfen Konsument*innen bei der richtigen Auswahl, indem sie einerseits Transparenz bzgl. der ökologischen Implikationen unterschiedlicher Verpackungen erzeugen. Andererseits bieten sie alltagsnahe Tipps für ein verpackungssparsames Konsumverhalten wie beispielsweise die Vermeidung von Serviceverpackungen durch das Mitführen eigener Behältnisse oder die Bevorzugung unverpackter Angebote.
2. Unternehmensebene: Verantwortung der Hersteller und Händler
Letzteres leitet zum zweiten Analysebereich über: Unternehmen, die Verpackungslösungen herstellen oder für den Vertrieb von Produkten einsetzen. Sie sind ebenfalls von großer Bedeutung, wenn es um die Frage eines nachhaltigen Umgangs mit Verpackungen geht. Dies betrifft sowohl den B2B- als auch den B2C-Bereich. Maßnahmen können z. B. in einer Steigerung der eingesetzten Rezyklatmengen, dem Verzicht auf unnötig große Verpackungen oder der gezielten Verwendung besonders gut recycelbarer Verpackungen liegen. So zeigen neue Erkenntnisse, dass Papierfasern rund 20 mal wiederverwertet werden können. Daraus ergibt sich zum einen ein direkter positiver Umwelteffekt bei den Unternehmen. Zum anderen ist das Angebot entsprechender Verpackungslösungen selbst Voraussetzung dafür, dass Verbraucher*innen ökologisch motivierte Kaufentscheidungen treffen können. Etliche Supermarktketten erproben in diesem Zusammenhang gegenwärtig Unverpackt-Lösungen im Obst- und Gemüsesegment als Alternative zu verpackten Angeboten. Dabei ist kritisch anzumerken, dass dieses Angebot immer nur kleine Teile des Sortiments umfasst und die Produkte bisweilen teurer als die verpackten Lösungen sind.
Händler sehen sich an dieser Stelle sowohl aus ethischen aber auch ökologischen Gründen stets der Aufgabe gegenüber, die Sicherstellung des Produktschutzes mit möglichen Verpackungseinsparungen abzuwägen. Angestrebt werden sollte dabei stets, dass die Klimaschädlichkeit von Verpackungen möglichst gering ist. Da jedoch der ökologische Fußabdruck der Produkte insgesamt sehr viel größer ist, muss der Schutz des Produktes stets oberste Priorität zukommen.
3. Makroebene: Politische Rahmenbedingungen
Beide Bereiche werden schließlich durch Weichenstellungen im dritten Analysebereich – der Politik – geprägt. Die in den Startlöchern stehende neue europäische Verpackungsrichtlinie (Packaging and Packaging Waste Regulation „PPWR”) betrifft vor allem den zuvor genannten Unternehmensbereich. Sie zeigt, dass das Thema in der Politik angekommen ist. U. a. werden in der PPWR quantifizierte Ziele für die Verwendung von wiederverwend- und wiederverwertbaren Verpackungslösungen festgelegt. Es wird außerdem verlangt, dass zukünftig stärker als bislang die spätere Verwertung bereits bei der Gestaltung von Verpackungen bedacht wird (Design for Recycling). Zudem werden diverse konkrete Vorgaben zur Verwendung von Verpackungen gemacht, wie bspw. eine Begrenzung des zulässigen Leerraumverhältnisses.
Politisch nicht minder wichtig sind die EU-Richtlinien zur Stärkung des Verbraucherschutzes und der Bekämpfung von Greenwashing, um die eingangs genannte Transparenzbedingung für Konsument*innen zu erfüllen. Denn in der Vergangenheit haben sich eine Vielzahl von Begriffen wie bspw. „biologisch abbaubar” oder „nachhaltige Verpackung” in der Praxis etabliert, ohne dass sie hinreichend belegt werden mussten. Vielmehr oblag Verbraucher*innen eine Holschuld hinsichtlich der Richtigkeit der getätigten Umweltaussagen, die diese nicht ohne Weiteres und nicht mit angemessenem Aufwand leisten konnten. Mit der „Green Claims Directive“ in Verbindung mit der ebenfalls beschlossenen „Directive on empowering consumers for the green transition“ soll dieser Praxis des Greenwashings nun ein Riegel vorgeschoben und Verbraucher*innen eine bessere Entscheidungsgrundlage gegeben werden.
Die bedeutende Rolle der Politik und zugleich die Grenzen ihres Einflusses wurden im Zuge der Debatte um das anhaltende Problem des Litterings sichtbar. Bei diesem Thema sind den globalen Steuerungsmöglichkeiten nationaler Regierungen enge Grenzen gesetzt. Dies wird aus deutscher Sicht u. a. auch bei der Einführung wirksamer Regelsysteme gegen die Vermüllung der Weltmeere sichtbar, da das Problem ursächlich größtenteils jenseits der eigenen Hoheitsgrenzen liegt. Zudem spielt eine Vielzahl von Akteuren mit divergierenden und sich überlagernden Interessen eine Rolle. Allerdings zeigt der weiterhin häufig achtlose Umgang mit Zigarettenstummeln, dass es unabhängig davon auch innerhalb Deutschlands noch erhebliches ungenutztes Potential zur Vermeidung unsachgemäß entsorgter Abfälle gibt.
Gemeinsames Handeln für eine Kreislaufwirtschaft
In der Diskussion wurden etliche Maßnahmen identifiziert, mit denen sich die ökologischen Auswirkungen von Verpackungen begrenzen ließen und die Kreislaufwirtschaft gestärkt werden würde – sei es ein Verzicht auf Verbundverpackungen zugunsten von Monomaterialien, eine gezielte und einzelfallspezifische Abwägung zwischen faserbasierten Verpackungslösungen und Mehrwegalternativen oder eine grundsätzliche Überprüfung der Lenkungswirkung bestehender steuerrechtlicher Regeln in der Abfallwirtschaft. Letzteres würde es ermöglichen, die ökologischen Auswirkungen von unterschiedlichen Verpackungen steuerlich besser und vergleichbarer zu berücksichtigen und es könnten je nach Bedarf politisch Lenkungsimpulse über Steueranpassungen gesetzt werden.
Zugleich ist jedoch Vorsicht bei politischem Aktivismus geboten. So müsste bspw. bei einer politisch forcierten stärkeren Verwendung vorkonfektionierter Mehrweglösungen auch sichergestellt sein, dass ein entsprechender Rahmen bestehend aus einem dichten Netz an Rücknahmestellen, entsprechender Logistik oder auch Reinigungs- und Aufbereitungsanlagen besteht und die zugehörigen Prozesse geklärt sind. Andernfalls wird die Lösung keine gesellschaftliche Akzeptanz erfahren und wäre dauerhaft nicht erfolgversprechend.
Aufklärung als Schlüssel
Einigkeit bestand dahingehend bei den Expert*innen, dass es noch mehr Aufklärungsarbeit benötigt. Vorhandene Informationsangebote und Tools gilt es dazu besser sichtbar zu machen und mittels innovativer Formate zielgruppengerecht in die Breite zu tragen. Auch könnte geprüft werden, ob zusätzliche Maßnahmen wie bspw. Aufdrucke auf Verpackungen mit Hinweisen zur korrekten Entsorgung oder hinsichtlich der ökologischen Kosten der genutzten Verpackung hilfreich sein können. Die Logik lautet dabei:
Aufgeklärte Verbraucher*innen fordern transparente Produkte und Verpackungen. Sie fungieren so selbst als Treiber für einen ökologischen Wandel in der Wirtschaft – einen, den wir mit Blick auf den Zustand der planetaren Grenzen dringend brauchen.