Vor vierzig Jahren, in 1972, veröffentlichte Jorgen Randers unter Leitung von Dennis Meadows und Mitautorenschaft von Donella Meadows das berüchtigte kleine Buch über die „Grenzen des Wachstums“ (The Limits to Growth), das den Fortschrittsglauben der Welt erschütterte und zum Bestseller wurde.
Ihm folgten 1992 und 2004 zwei weitere Fassungen, die methodisch verfeinert und datenmäßig aktualisiert waren, aber nicht mehr die Aufmerksamkeit der ersten Fassung fanden – die Welt hatte sich an dramatische Meldungen gewöhnt und auf Grenzüberschreitungen eingestellt. Dabei waren diese Studien gar keine Prognosen, sie wollten nicht erzählen, was im 21. Jahrhundert geschehen könnte. Es waren vielmehr Szenarien, zwölf an der Zahl, mit denen die Autoren etwas sagen wollten über die wahrscheinlichen Ergebnisse bestimmter Politiken. Sie nutzten dazu ein komplexes globales Computermodell (World 3 – World3-03), mit dem sie die Konsequenzen bestimmter Entscheidungen bzw. Nichtentscheidungen simulieren konnten. Das wichtigste Szenario-Ergebnis war, dass die Menschheit, wenn sie sich nicht schnell auf durchgreifende Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft einlässt, die physikalischen Grenzen des Planeten überschreiten wird: Overshoot – Grenzüberschreitung – wurde zum globalen Warnsignal. Die „Grenzen des Wachstums“ definierten das konzeptionelle Werkzeug für eine erleuchtende Debatte – doch eine solche Debatte hat bis heute nicht stattgefunden. Wenn man 40 Jahre lang die Warnung nicht ernst genommen hat, was ist dann für die nächsten 40 Jahre (daher: 2052) zu erwarten?
Randers legt keine weitere Simulation vor, er wagt vielmehr eine Prognose – eine wohlbegründete Vermutung (educated guess), ein kenntnisreiches Urteil (well-informed judgment) – auf Basis von vier Elementen: zwei dynamische globale Computermodelle (vgl. www.2052.info), Analyse global relevanter Trends, Einbeziehung der Expertise über die globale Zukunft (Essays von 35 globalen Denkern) und Infragestellung der geltenden Weltsicht, des dominanten Wachstumsparadigmas. Vier zentralen Themen, die einen Systemwechsel betreffen, gilt sein besonderes Interesse: die Zukunft des Kapitalismus, der Demokratie, der Machverteilung, des Verhältnisses von Mensch und Natur. Sein Blick auf das Jahr 2052 fokussiert die Themen Bevölkerung, Konsum, Energie, CO2-Emissionen, Ernährung, ökologischer Fußabdruck, Nicht-materielle Welt und (!) den Zeitgeist.
Randers erwartet, anders als die Vereinten Nationen, die weitere Zunahme der Weltbevölkerung nur bis zur 8,1 Milliarden-Marke (peak). Das Wachstum der globalen Wirtschaft stagniert, während der Kampf um Ressourcen eskaliert. Die Emissionen werden weiter zunehmen und einen gefährlichen Klimawandel (plus 2° C) bewirken. Den Zeitgeist von 2052 sieht Randers eher positiv: Fokus auf lokalen Lösungen, weniger Wachstumsfetischisten, stärkere und weisere Regierungsführung, internationales Netz inspirierter Individuen.
Der Analyseteil des Buches enthält, wie man es von einer Prognose erwarten darf, graphische Aufarbeitungen der wichtigsten globalen Parameter, aber auch fünf regionale Zukünfte: der USA, der er einen relativen Bedeutungsverlust aber eine große solare Zukunft vorhersagt, China, das zum neuen globalen Hegemon werde, die OECD-Länder-Welt, die BRISE (die Schwellen-)Länder und den Rest der Welt. Randers sichert seine Prognose ab, in dem er seine Studie mit anderen Studien vergleicht – und dann den Ball an seine Leser (und seine möglichen Kritiker) weiterspielt: was die internationale Staatengemeinschaft getan haben sollte bzw. in Zukunft tun muss und 20 persönliche Ratschläge (What should you do). Mit dem bevorstehenden Desaster leben lernen statt die Hoffnung zu verlieren – dieses Motto beschreibt Randers Ausblick auf 2052. Sein letztes Wort ist noch persönlicher: „Helft mit, meine Vorhersagen zu widerlegen. Zusammen könnten wir eine viel bessere Welt schaffen“.
Jorgen Randers:
2052. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre,
München: oekom Verlag 2012, 448 Seiten, € 24,95.
ISBN 978-3-86581-398-5