Vom Like zum Change: Soziale Medien für NGOs (1) NGOplus-Dialog vom 13. November 2024

Auf Social-Media-Plattformen präsent zu sein, ist für NGOs, Vereine und andere Organisationen nahezu unverzichtbar. Besonders junge Menschen informieren sich dort über aktuelle Themen, Veranstaltungen und Trends und nutzen die Netzwerke zum Austausch. Bereits mehr als drei Viertel aller Unternehmen sind in den sozialen Medien aktiv. Plattformen wie Instagram, X (früher Twitter), Facebook, TikTok und LinkedIn bieten zahlreiche Funktionen und unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation. Doch welche Netzwerke eignen sich besonders gut? Welche Kommunikationsstrategien bieten sich an, und welche Vor- und Nachteile gilt es zu berücksichtigen? Worauf sollte man vor dem Erstellen von Stories, Reels, Tweets, Shorts oder Beiträgen achten? Und wie kann Social Media in den Arbeitsalltag integriert werden? 

Am 13. November 2024 veranstaltete die Deutsche Umweltstiftung im Rahmen der NGOplus-Reihe einen Online-Vortrag zu diesem Thema. Unter dem Titel „Vom Like zum Change: Soziale Medien für NGOs“ gab Michael Golze einen umfassenden Überblick über die wichtigsten sozialen Netzwerke, ihre Stärken und Schwächen sowie über Potenziale, Herausforderungen und effektive Kommunikationsstrategien. Über 180 Personen nahmen an der Veranstaltung teil.

Der 2. Teil der Reihe  wird am 15. Januar stattfinden. Sollten Sie beim ersten Teil nicht dabei gewesen sein, bitten wir Sie, sich hier anzumelden.

Ein Blick auf das Potenzial und die Risiken sozialer Medien

Zum Auftakt seines Vortrags präsentierte Michael Golze eine SWOT-Analyse. (Strength- Weaknesses-Opportunities-Threats), welche die Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Risiken von sozialen Medien aufzeigt.

Stärken (Strength)

Soziale Medien bieten eine kosteneffiziente, schnelle und flexible Möglichkeit, eine breite Zielgruppe zu erreichen, Transparenz zu fördern und Vertrauen bei Unterstützer*innen aufzubauen. Sie ermöglichen direkten Austausch, regelmäßige Updates und steigern das Engagement, unabhängig von geografischen Grenzen.

Möglichkeiten (Opportunities)

Soziale Medien ermöglichen NGOs den Aufbau einer engagierten Community und die Erweiterung von Netzwerken durch Kooperationen. Kreative Formate wie Livestreams oder Reels helfen, verschiedene Zielgruppen anzusprechen, und bieten die Chance, zeitnah auf aktuelle Themen zu reagieren.

Schwächen (Weaknesses)

Die Nutzung sozialer Medien erfordert viel Aufwand, besonders bei begrenztem Personal. Ständige Anpassungen an Algorithmen und Trends sind nötig. Negative Kommentare können das Image schädigen, wenn nicht angemessen reagiert wird. Zudem ist der Erfolg schwer messbar, da Likes und Shares oft keine direkten Auswirkungen zeigen. Fachwissen ist essenziell, um effektiv und sicher zu agieren.

Risiken (Threats)

Die Abhängigkeit von Plattformen birgt Risiken: Algorithmusänderungen und neue Nutzungsbedingungen können die Sichtbarkeit beeinträchtigen. Datenschutz und der Umgang mit Unterstützerdaten sind zentral, ebenso wie das Risiko eines Imageverlusts durch unpassende Inhalte. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, sich von anderen abzuheben. Zudem erschwert der Lock-in-Effekt den Wechsel zu anderen Plattformen.

Plattformen im Überblick

Bei der Auswahl der Plattformen sollten die verfügbaren Ressourcen im Blick behalten werden. Es ist meist effektiver, wenige Kanäle gezielt und zielgruppengerecht zu nutzen, anstatt viele nur oberflächlich zu bespielen. Wichtig sind dabei die Zielgruppe des Kanals, die ideale Posting-Frequenz, die bevorzugten Inhalte sowie die verfügbaren Funktionen und Features. Der Kanal-O-Mat bietet einen Überblick, um herauszufinden, welcher Kanal am besten zur eigenen Organisation passt.

  • Nutzer*innen: Große, gemischte Zielgruppe; oft ab 25 Jahren, lokale und globale Nutzer*innen
  • Frequenz der Posts: 3-5 Mal pro Woche
  • Inhalte: Storytelling-Posts, Community-Updates, Events, Infografiken
  • Features: Gruppen, Events, Stories, Live-Videos, Seitenbeiträge
  • Chancen: Lokale Themen und gezielte Gruppeninteraktionen nutzen, um Gemeinschaftsgefühl zu fördern.
  • Regelmäßigkeit: Konsistente Posting-Zeiten können die Sichtbarkeit erhöhen. Regelmäßige Beiträge sollten eingeplant werden.
  • Best practice: facebook live, spenden sammeln, Beiträge
  • Algorithmus:
    • Interaktionen fördern: Facebook priorisiert Beiträge, die hohe Interaktionsraten aufweisen, wie Kommentare und Shares. Es empfiehlt sich, Inhalte zu erstellen, die Diskussionen anregen oder Fragen stellen.
    • Video-Content nutzen: Videos, insbesondere Live-Videos, werden vom Algorithmus bevorzugt, da sie oft mehr Engagement (Interaktion) erzeugen.
  • Nutzer*innen: Jüngere Zielgruppe, 18-34 Jahre, bild- und videoaffin
  • Frequenz: Täglich, bis 3-5x pro Woche
  • Inhalte: emotionale und visuell ansprechende Inhalte (Bilder, Stories, Reels)
  • Features: Stories, Reels, IGTV, Live, Shopping-Features, Umfragen
  • Algorithmus: Hochwertige und ästhetisch ansprechende Bilder oder Videos werden vom Algorithmus bevorzugt. Stories und Reels erhalten besondere Aufmerksamkeit und können die Reichweite erhöhen. Mithilfe von relevanten Hashtags kann man die Auffindbarkeit steigern. Wichtig: nicht zu viele zu nutzen, um nicht als Spam wahrgenommen zu werden.
  • Best practice:

    • Beiträge: Erreichen primär die eigene Community. Ideal für Updates und tiefere Inhalte. Es sollten 1-2 kurze Sätze oder maximal 100 Zeichen pro Seite verwendet werden, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Klare, einfache Formulierungen und eine gut lesbare Schriftgröße sowie -farbe sind wichtig. Der Blickfang sollte ein ansprechendes Bild oder eine auffällige Grafik sein. Neugier kann durch eine kurze Aussage oder Frage geweckt werden (z. B. „Wusstest du…?“). Ein Call-to-Action wie „Wischen für mehr“ oder „Lies weiter“ rundet den Beitrag ab.
    • Stories: Sichtbar für Follower*innen für 24 Stunden. Gut für schnelle Updates und persönlicheren Content.
    • Reels: Erreichen ein breites Publikum, auch außerhalb der eigenen Community. Gut für trendbasierten, unterhaltsamen Content. Die ideale Länge liegt bei 7-15 Sekunden, maximal jedoch bei 30 Sekunden. Es empfiehlt sich, aktuelle Sounds, Musik und Effekte zu verwenden, um Trends zu nutzen. Die erste Sekunde sollte besonders eindrucksvoll sein, und am Ende sollte ein klarer Call-to-Action platziert werden.
    • Hashtags: Helfen, neue Nutzer*innen außerhalb der Community zu erreichen. Ideal für Beiträge und Reels.
    • Live-Videos: Engagieren die eigene Community und erhöhen die Bindung durch direkte Interaktion.
  • Nutzer*innen: News-orientierte, politik- und technik-interessierte Nutzer*innen weltweit, Altersgruppe 18-49
  • Frequenz: Mehrmals täglich
  • Inhalte: Aktuelle News, Meinungen, Diskussionen, Threads und Bilder
  • Features: Tweets, Hashtags, Umfragen, Spaces (Audio), Bilder und kurze Videos
  • Chancen: Aktuelle Inhalte, ansprechende Hashtags, aktive Diskussionsbeiträge und schnelle Reaktionen
  • Algorithmus: Der Algorithmus bevorzugt aktuelle und trendende Themen. Relevante Hashtags können genutzt werden, um sich an aktuellen Diskussionen zu beteiligen. Kurze, prägnante Tweets mit klarer Botschaft erzielen bessere Ergebnisse. Antworten, Retweets und Likes erhöhen die Sichtbarkeit von Beiträgen.
  • Nutzer*innen: Berufstätige und Fachleute, B2B-Bereich und Branchenkontakte
  • Frequenz: 2-4 Mal pro Woche
  • Inhalte: Fachartikel, Karriere-Tipps, Branchen-News, Erfolgsgeschichten
  • Features: Artikel, Gruppen, Karriereseiten, Unternehmensprofile, LinkedIn Live
  • Chancen: Fachliche Beiträge, wertvolle Branchen-Insights, professioneller Austausch und Networking
  • Algorithmus:
    • Beruflicher Mehrwert: Beiträge mit fachlichem Inhalt und Mehrwert für die Community werden bevorzugt.
    • Engagement in den ersten Stunden: Der Algorithmus bewertet frühe Interaktionen positiv. Fördern Sie daher zeitnahes Engagement nach der Veröffentlichung.
    • Hashtags: Spezifische, berufsrelevante Hashtags sollten verwendet werden, aber nicht mehr als drei bis fünf.
  • Nutzer*innen: Sehr junge Zielgruppe, meist 16-24 Jahre, weltweit
  • Frequenz: Täglich bis mehrmals pro Woche
  • Inhalte: Kurze, unterhaltsame oder informative Videos, Challenges, kreative Inhalte
  • Features: Sounds, Filter, Effekte, Duetts, Reaktionen, Livestreams
  • Chancen: Originelle und kreative Videos, Nutzung aktueller Trends und Sounds, Challenges und User-Interaktionen
  • Algorithmus:
    • TikToks Algorithmus personalisiert Inhalte durch die Analyse von Interaktionen (Likes, Wiedergaben, Kommentare), Video-Informationen (Hashtags, Sounds, Beschreibungen) und Nutzerdaten (Sprache, Standort).
    • Verweildauer: Videos, die Nutzer*innen bis zum Ende oder mehrfach anschauen, werden höher bewertet. Inhalte, die schnell weg geswiped werden, sinken in der Priorisierung.
  • Nutzer*innen: Technisch versierte, datenschutzbewusste Nutzer*innen, oft progressive Community
  • Frequenz: 1-3 Mal pro Woche
  • Inhalte: Texte, Community-bezogene Themen, offene und ethische Diskussionen
  • Features: Beiträge, Hashtags, Boosts (Teilen), Bilder, Videos
  • Algorithmus: Mastodon hat keinen Algorithmus, wie z. B. Facebook oder Twitter. Stattdessen zeigt Mastodon Inhalte chronologisch an, ohne algorithmische Filterung oder Priorisierung. Die Reichweite von Beiträgen hängt primär von natürlicher Interaktion und engagierter Community ab. Es erfolgt eine einfache, chronologische Sortierung.

Chronologisch vs. algorithmisch: Die Macht der Sortierung

Soziale Medien bestimmen zunehmend, wie wir Informationen wahrnehmen, konsumieren und verbreiten. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Art und Weise, wie Plattformen Inhalte sortieren: entweder chronologisch oder algorithmisch. Beide Varianten haben spezifische Vor- und Nachteile, die es zu verstehen gilt, um sie strategisch einzusetzen.

Chronologische Sortierung, wie sie beispielsweise auf Mastodon verwendet wird, basiert allein auf dem Zeitpunkt der Veröffentlichung. Der neueste Beitrag steht immer oben, unabhängig von Interaktionen oder Nutzerverhalten. Diese Einfachheit bringt einige klare Vorteile mit sich: Inhalte werden transparent und nachvollziehbar präsentiert, da keine versteckten Mechanismen entscheiden, was sichtbar ist. Jede/r Nutzer*in hat die gleiche Chance, wahrgenommen zu werden, was insbesondere für kleinere Organisationen oder Einzelpersonen von Vorteil sein kann. Zudem wird durch die Dezentralität solcher Plattformen häufig ein höheres Maß an Datenschutz und Nutzersouveränität gewährleistet. Allerdings gibt es auch Herausforderungen: Bei einer großen Menge an Beiträgen können wichtige Inhalte schnell untergehen. Nutzer*innen müssen sich aktiv durch alle Posts scrollen, was zeitintensiv sein kann und nicht immer die Relevanz der Inhalte für sie widerspiegelt.

Im Gegensatz dazu steht die algorithmische Priorisierung, wie sie Plattformen wie Facebook, Instagram oder X (ehemals Twitter) einsetzen. Hier werden Inhalte nach Relevanz und persönlichen Interessen sortiert, basierend auf Faktoren wie Interaktionen (Likes, Shares, Kommentare), Verweildauer, Beziehung zur postenden Person und bisherigen Interessen. Mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen werden die Inhalte optimiert, sodass Nutzer*innen die „relevantesten“ Beiträge angezeigt werden. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er die Inhalte personalisiert und die Zeit der Nutzerinnen effizient nutzt, indem beliebte oder wichtige Beiträge hervorgehoben werden. Außerdem fördert er das Engagement, da die Plattformen gezielt Inhalte priorisieren, die Diskussionen und Interaktionen auslösen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Risiken: Die algorithmische Sortierung neigt dazu, Echokammern und Filterblasen zu schaffen, indem sie nur Inhalte zeigt, die der bisherigen Meinung entsprechen, was Polarisierung fördern kann. Emotional aufgeladene Inhalte, die besonders viel Interaktion hervorrufen, werden oft priorisiert, was Manipulationsrisiken birgt. Darüber hinaus empfinden viele Nutzer*innen die Intransparenz solcher Algorithmen als problematisch, da sie nicht nachvollziehen können, warum bestimmte Inhalte angezeigt werden.

Für Nutzer*innen ist die Wahl zwischen chronologischen und algorithmischen Plattformen eine strategische Entscheidung, die von den eigenen Zielen und Zielgruppen abhängt. Entscheidend ist dabei, sich regelmäßig über die Funktionsweisen und Mechanismen der Plattformen zu informieren, da diese sich ständig weiterentwickeln. Änderungen an den Algorithmen können erheblichen Einfluss darauf haben, wie Botschaften wahrgenommen und wirkungsvoll platziert werden können.

Planung einer Social Media-Strategie

Social Media ist heute mehr als nur ein zusätzlicher Kommunikationskanal – es ist ein zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit für NGOs und Vereine. Doch wie kann man sicherstellen, dass die Inhalte nicht nur veröffentlich werden, sondern auch die richtigen Menschen erreichen? Der Schlüssel liegt in einer klar durchdachten Strategie.

Mit einem Social Media Canvas lassen sich die wichtigsten Bausteine einer erfolgreichen Strategie übersichtlich planen: von den Zielen und Zielgruppen über die passenden Inhalte und Formate bis hin zu Ressourcen und Erfolgsmessung. Im nächsten Seminar am 15. Januar beschäftigen wir uns genau damit. Gemeinsam analysieren wir, wie ihr mithilfe des Canvas eure Social-Media-Aktivitäten strategisch ausrichten könnt, um mehr Sichtbarkeit und Wirkung zu erzielen.